Homeoffice

Organisatorische, technische und rechtliche Sichtweise

Ein Einblick in den Alltag von unserer Kollegin Daniela H., Beraterin - seit Monaten in Homeoffice:

„Vorab: Homeoffice ist prinzipiell eine gute Alternative und ich begrüße es, dass wir diese Möglichkeit von unserem Arbeitgeber bekommen. Man kann sich gut strukturieren und die Arbeit verliert nicht an Qualität. Ein Austausch zwischen den Kollegen funktioniert auch sehr gut. Nur die sozialen Kontakte fehlen und dies ist nach einer so langen Zeit nicht mehr schön.

Die Probleme begannen mit Homeschooling, denn meine 8-jährige Tochter ist nicht in der Lage, die Aufgaben eigenständig zu lösen. Ein Schultag ist nicht zu ersetzen. Dies funktioniert wohl bei älteren Kindern, aber nicht in den Grundschulklassen. Es wird von der Schule zu viel verlangt, was in der Praxis nicht umsetzbar ist. Ab der 4. Woche fehlte es meiner Tochter an Motivation. So wollte sie früh auch nicht aufstehen. Im Alleingang war kaum etwas möglich. So bewegte ich mich ständig zwischen Arbeit und Ersatzlehrer - was auf beiden Seiten zur Gereiztheit führte. Die Beziehungsebene wird gestört und es kommt zu familiären Auseinandersetzungen. Meine Tochter kann nicht verstehen, wenn ich sage: „Mutti muss arbeiten und du musst jetzt deine Aufgaben lösen“. Das Verständnis, Aufgaben eigenständig zu lösen, ist bei kleinen Kindern noch nicht ausgeprägt. Sie sind mit der Situation überfordert und es funktioniert nicht allein. Sie benötigen Hilfe, denn in der Schule ist der Lehrer ja auch anwesend.  Meiner Tochter fehlen ihre Freunde, der Klassenverband und die Aufmerksamkeit des Lehrers und so weint sie auch viel, was mich wiederum sehr belastet. Der Stress- und Energiefaktor ist sehr hoch. Man kann sich auf eine Sache nicht 100%ig konzentrieren. So kommt zu Homeoffice und Homeschooling auch noch Homecooking, denn wenn ein kleines Kind unbeobachtet ist, kann es auch zu Unfällen kommen. Beispiel: „Mama ich möchte Tee trinken, ich mach mal den Kocher an“….oh heißes Wasser…ich stürzte in die Küche. So kommt es immer wieder zu Situationen, die eine Aufsicht benötigen, aber nicht umsetzbar sind.“

Wie das Interview deutlich macht, hat die Corona-Pandemie die meisten unserer Arbeitsplätze stark verändert. Innerhalb kürzester Zeit wurden die Arbeit vor Ort eingestellt und die Agenturen sowie Jobcenter für die Kundinnen und Kunden nahezu vollständig geschlossen. Die Beschäftigten wurden, überall wo es gewünscht und möglich war, mit einem Citrix-Zugang oder einem MAP ausgestattet und ins Homeoffice entsendet. Organisatorisch wurden viele Kolleginnen und Kollegen zur Unterstützung anderer Bereiche ausgesendet, während zusätzlich der Arbeitszeitrahmen auf 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr erweitert und sogar an Samstagen entsprechende Arbeitsmöglichkeiten geschaffen wurden, um der enormen Arbeitsflut Herr zu werden. Nebenbei wurden Beschäftigte und Führungskräfte abrupt mit einer neuen Führung auf Distanz konfrontiert. Insbesondere der Spagat zwischen Arbeit, Privatleben mit und ohne Familie fordert, zumeist von den Frauen, noch zusätzlichen Einsatz. Die Belastung steigt dadurch immer weiter in einen untragbaren Zustand.

Organisatorische Änderungen unserer Arbeit ziehen aber auch Veränderungen der Zusammenarbeit und Führung sowie technische und rechtliche Aspekte nach sich.

Ein nüchterner Blick auf verschiedene Fragen zum Homeoffice

•Was bedeutet Homeoffice?

•Ist ein richtiger Arbeitsplatz zu Hause vorhanden?

•Kann notwendige Hardware (z.B. PC, Monitor) zur Verfügung gestellt werden?

•Was bedeutet es, die private Hardware für die Erledigung der Arbeit zu nutzen?

•Gibt es einen Ausgleich für die zusätzlichen (Neben-)Kosten durch Homeoffice?

 

Was bedeutet Homeoffice?

In den vergangenen Monaten wurden viele dieser und ähnlicher Fragen an verschiedenen Stellen und durch verschiedene Institutionen und Personen diskutiert. Aber bereits der Begriff „Homeoffice“ als Synonym für das Arbeiten in der Privatwohnung hat für Diskussionen gesorgt, da dieser Begriff gesetzlich nicht verankert ist. Es wird daher häufig auf die Begriffe „Mobiles Arbeiten“ und „Telearbeit“ zurückgegriffen, da diese bereits rechtlich verankert und geregelt sind.

An dieser Stelle möchte ich Sie darauf hinweisen, dass unsere Arbeitgeberin Sie jedoch nicht einfach ins Homeoffice schicken kann. Wenn Sie weiterhin vor Ort arbeiten möchten, muss unsere Arbeitgeberin dies ermöglichen. Falls dies aus irgendwelchen Gründen auf Seiten der Arbeitgeberin nicht möglich ist, können Sie von Ihrer Arbeitspflicht entbunden und bezahlt freistellt werden.

Ist ein richtiger Arbeitsplatz zu Hause vorhanden?

Nicht jede/r, der/die im Homeoffice arbeitet, kann aktuell auf einen richtigen Arbeitsplatz zurückgreifen. Häufig arbeiten vor allem Frauen, aber teils auch Männer, am Ess- oder Wohnzimmertisch, um beispielsweise nebenbei die Kinder zu beaufsichtigen oder einfach weil kein anderer möglicher Platz existiert. Die gesundheitlichen Auswirkungen lassen zumeist nicht lange auf sich warten.

Zur Einrichtung eines adäquaten Arbeitsplatzes gibt es mittlerweile reichlich Informationen bei den zuständigen Stellen und im Internet. Auch der technische Beratungsdienst unserer Arbeitgeberin stellt entsprechende Hinweise zur Verfügung.

Kann notwendige Hardware (z.B. PC, Monitor) zur Verfügung gestellt werden?

Was bedeutet es, die private Hardware für die Erledigung der Arbeit zu nutzen?

Zur Einrichtung des passenden Arbeitsplatzes gehört trivialerweise auch die notwendige Hardware. Im Idealfall steht Ihnen passende Hardware aus Ihrer Agentur / Ihrem Jobcenter zur Verfügung, wie beispielsweise ein MAP oder zusätzlicher Mini-PC. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Die gesetzlichen Vorgaben für Ausstattungen  des Arbeitsplatzes finden hier keine direkte Anwendung. Es besteht daher keine Verpflichtung, entsprechende Hardware zur Verfügung zu stellen. Hintergrund ist die überwiegende Gleichsetzung von Homeoffice mit mobiler Arbeit.

Die Nutzung der privaten Hardware ist durch die Informationstechnik via Citrix und Skype technisch gewährleistet, ist allerdings freiwillig und kann nicht einfach durch die Arbeitgeberin verlangt werden.

Bei Homeoffice, ob nun mit der bereitgestellten oder eigenen Hardware, sind indessen aber immer Datensicherheit und Datenschutz sicherzustellen. Hier helfen besonders die eigene Sensibilisierung und die Beachtung der Dienstvereinbarungen zu „Alternierende Telearbeit“, „Mobiles Arbeiten“ und „Nutzung von Einrichtungen der Informations- und Kommunikationstechnik“.

Gibt es einen Ausgleich für die zusätzlichen (Neben-)Kosten durch Homeoffice?

Rechtliche Debatten wurden geführt aufgrund der außerplanmäßigen Kosten, die den Beschäftigten im Homeoffice entstehen. Viele von Ihnen haben sich einen entsprechenden Arbeitsplatz zu Hause geschaffen und obendrein steigen die Kosten für verbrauchte Nebenkosten.

Der Gesetzgeber hat dazu noch im vergangenen Jahr das Einkommenssteuergesetz (EStG) angepasst. Neben einem steuerfreien Corona-Bonus von bis zu 1.500,00 Euro, wurde eine Homeoffice-Pauschale rückwirkend für die Jahre 2020 und 2021 festgeschrieben. Jede/r Arbeitnehmer/in kann entweder die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer oder die Pauschale in Höhe von 5,00 Euro pro Homeoffice-Tag, maximal 600,00 Euro pro Jahr, als Werbungskosten in seiner/ihrer Steuererklärung geltend machen.

Mal Hand auf‘s Herz:

Bewusst haben wir auf der einen Seite ausführlich die rechtlichen und gesundheitlichen Aspekte sowie die Überlegungen zur Arbeitssicherheit im Homeoffice dargestellt.

Zum anderen gibt das kurze Interview die Erfahrungen wieder, die eine Mutter und engagierte Mitarbeiterin einer Agentur oder eines Jobcenters im Homeoffice erlebt. Die Quadratur des Kreises zwischen Homeschooling und eigener Arbeitsleistung, Betreuung des Kindes oder eines/einer pflegebedürftigen Angehörigen und die (fehlende) Achtsamkeit auf die eigene Arbeitssituation. Ein sehr oft kaum zu meisternder Spagat.

Ja, das Thema Homeoffice könnte ein ganzes Sonderheft des vbba Magazins füllen. Das wollen wir so nicht, denn das wichtige Thema können und müssen wir für Sie dauerhaft begleiten, weil es Ihre Arbeits- und Lebenssituation konkret betrifft.

Aber einige weit verbreitete und wichtige Fragestellungen und Überlegungen wollen wir doch noch aufgreifen:

Aber: Die Arbeit im Homeoffice befördert ein gern ausgeblendetes Risiko für die/den Einzelne/n: Die Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben: Noch schnell ein paar Mails abarbeiten oder Entwürfe schreiben – und schon wird er Arbeitstag länger als alle tariflichen Arbeitszeiten. Private Kontakte leiden, weil das Homeschooling vom eigenen Arbeiten zu Hause „eingerahmt“ wird. Zu lange Bildschirmarbeit, Gedanken an die beruflichen Aufgaben mit „ins Bett nehmen“? – Kein Einzelfall, auch bei unseren Kolleg*innen. Work-Life-Balance als hehres Ziel und frommer Wunsch?  „Zur Ruhe kommen“ – Wie?

 

Uns ist bewusst, das sind nur einige – noch längst nicht alle – Aspekte ...

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Pandemie das private und berufliche Leben der Frauen, wie auch Männer enorm umgekrempelt hat. Das wird aber auch künftig noch eine weitreichende Rolle spielen. Besonders mit Blick in die Zukunft, müssen wir uns schon heute die Fragen zum Leben und Arbeiten nach der akuten Pandemie stellen. Die vbba wird sich mit ihrer Frauenvertretung wie in der Grundsatzkommission weiter mit den genannten Fragen, Problemen und Herausforderungen des Themas Homeoffice, Tele- und Mobilarbeit in der Zeit nach der Pandemie auseinandersetzen (müssen). Unsere HPR-Fraktion wird hier bei der Gestaltung von Dienstvereinbarungen und Corona-Regeln „wach“ sein. Die vbba als aktive Gewerkschaft im dbb wird Netzwerke und politische Kontakte nutzen, um zu verhindern, dass Homeoffice im Öffentlichen Dienst nur in Ausnahmesituationen wie einer Pandemie zu den „normalen“ Arbeitsformen gehört. Es gilt aktiv entgegenzuwirken, dass ein Rückfall in alte Strukturen bei der Organisation familiärer Pflichten und Beruf durch moderne Arbeitsformen befördert wird und Karrierechancen für Frauen bzw. Menschen mit Sorgearbeit wieder in den Hintergrund treten werden.

 

Nadja Müller

Sigrun Menge

Gabriele Toron

Annette von Brauchitsch-Lavaulx

Bettina Ey

 

Herzlichen Dank an die Kollegin Daniela H.