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Wow, vor kurzem war ich noch eine von vielen und jetzt haben die mich doch wahrhaftig eingestellt. Meine schriftliche Bewerbung war top und spitzenmäßig überarbeitet von meinem Vermittlungscoach, das Vorstellungsgespräch habe ich wohl gerade so „bestanden“.

Da wurde ich doch glatt gefragt, was die Bundesagentur für Arbeit alles so macht. Na, sie kümmert sich um Arbeitslose und zahlt Arbeitslosengeld. Mit dieser Antwort konnte ich nicht ganz überzeugen und musste mir anhören, dass es auch eine Arbeitsvermittlung, eine Familienkasse und vieles andere gibt. Nun denn, beim nächsten Mal informiere ich mich genauer im Internet.

Und was auch nicht so gut ankam, war die Antwort auf die Frage nach meinen Stärken und Schwächen. Also Stärken habe ich viele, Schwächen so gut wie keine. Nun denn, die Auswahlkommission ließ das so im Raum stehen. Punkten konnte ich aber mit meinem volkswirtschaftlichen Studium, meinen Zeugnissen und der Präsentation. Ich habe mit meinen Vorschlägen zu einer effizienten Vermittlung ins Schwarze getroffen Jippi.

Nun gut, man sagte mir, man wolle es mit mir versuchen und mich für ein Jahr befristet einstellen.

Arbeitsvermittlerin soll ich werden und zwar arbeitnehmerorientiert, das heißt, ich werde es auch mit echten Arbeitslosen zu tun haben. Denen geht es ja so, wie mir vor kurzem. Diese Situation kenne ich, schön war es nicht, Haut zu Markte tragen und warten, wer sich für mich interessiert.

Aber die von der Agentur für Arbeit, die interessieren sich für mich und haben mich eingestellt – wow -  wenn auch zunächst nur befristet, aber egal. Jetzt starte ich durch.

Alles was ich gut kann, werde ich in die Waagschale werfen. Die sollen mich kennenlernen. Das zieh ich durch, diesen eingeschlafenen Verein bringe ich auf Vordermann, ich habe mich genug geärgert, als ich eine Stelle suchte. Völlig gefrustet war ich, mein letzter Chef hat mich total enttäuscht, er hat mir das Blaue vom Himmel erzählt, was ich alles für Entwicklungsmöglichkeiten in seinem Unternehmen habe.

Ich war dabei, ich war heiß, ich habe gearbeitet mit vollem Elan und bis zum Umfallen, mindestens zehn Stunden am Tag. Das war mir egal, ich wollte weiterkommen. Und, was ist passiert? Der Chef haut ab, mit 30.000 Euro aus der Tageseinnahme im Portemonnaie und ich stehe da: Unternehmen pleite, alle Überstunden futsch und ich bin entlassen.

Dann musste ich zur Arbeitsagentur. Und da? Mit meinem kleinen Trauma, das ich von der letzten Stelle hatte, muss ich wohl eher selbst klarkommen. Aber gut, ich werde mein Bestes geben und noch ein bisschen mehr.

Jetzt bin ich dabei, jetzt geht es los, denn die haben mich genommen, nicht zu fassen …..

 

Erster Tag: Ich werde in allen Amtsstuben vorgeführt, pardon eingeführt, oder anders ausgedrückt, die Teamleiterin stellt mich überall vor. Eigentlich ist sie ganz nett, aber sie wird mir künftig sagen, wo es lang geht.

Tag 2 – 15: Einarbeitung in den Räumlichkeiten des IS. IS, was heißt das eigentlich, bin ich im Islamischen Staat gelandet?

Okay, kein islamischer Staat sondern ein Interner Service, alles gut, aber um was geht es hier eigentlich, was soll ich mit der ganzen Theorie, ich will was für die tun, denen es so geht wie mir vor meiner Einstellung.

Tag 16: … jetzt geht’s los. Ich habe ein eigenes Büro.

  • Die Gespräche warten, ich werde überwacht, beziehungsweise, wie sagen die hier, meine Teamleiterin hospitiert bei mir, um zu sehen, wie ich denn so mit meinen Kunden umgehe.
  • Ich sei zu unverbindlich, ließe mich auf Diskussionen ein und bezöge keine eindeutige Stellung. Als Beispiel wurde eine Kundin genannt, die psychische Problem hat und gerne auf ihre kaufmännische Vorbildung noch SAP draufsatteln würde. Ich hätte ihr die Fortbildung bewilligt, dann fühlt sie sich wenigstens ein bisschen besser. Arbeit wird sie allerdings danach auch nicht bekommen, sie schaukelt permanent auf dem Stuhl, schaut mich während des Gespräches nicht an, wirkt irgendwie völlig daneben und gibt merkwürdige Antworten. Meine Teamleitung meint, die SAP-Fortbildung bringe aktuell nichts, sie müsse erst in psychotherapeutische Behandlung, das hätte bereits ein ärztliches Gutachten ergeben. Das finde ich nicht richtig, der Frau geht es bestimmt etwas besser, wenn sie beschäftigt ist. Ich diskutiere ein bisschen mit meiner Chefin und beharre auf meinem Standpunkt, draußen warten die nächsten Kunden und meine Vorgesetzte wirkt auch schon ein bisschen angespannt. Aber gut, dafür ist sie Führungskraft und verdient mehr. Sie scheint meine Gedanken zu erahnen und sieht mich kritisch an.
  •  Oh weia, und jetzt? Muss ich mir das bieten lassen? O.k., ich behalte meinen Groll zunächst für mich.
  • Gut, was soll ich sagen, neuer Tag, neues Glück. Mein Kunde ist ein toller Mann, gerade erst arbeitslos geworden, vorher als Maschinenbauingenieur tätig. Es gab nur ein Problem, die Firma hat alles ins Ausland verlagert und er konnte nicht mit. Frau und drei kleine Kinder, aber top qualifiziert. Jetzt möchte er aber gerne eine Fortbildung zum Kraftfahrzeug-Prüfingenieur machen. Das verstehe ich doch, da kann er weiterhin vor der Haustür arbeiten. Vorsichtshalber frage ich aber meine Zimmernachbarin, was sie machen würde. Diese Fortbildung sei sehr teuer, der Mann gerade erst arbeitslos geworden und außerdem würde er bestimmt auch so im Tagespendelbereich Arbeit finden. Ich solle diese Fortbildung nicht bewilligen, sondern einen AVGS für ein Bewerbungstraining ausgeben. AVGS – alles vom großen Service – oder was heißt das? Meine Kollegin hat sie ja nicht mehr alle, müssen wir denn so mit den reichlichen Geldern geizen? Gut, ich bin lieber still.
  • Erste Dienstbesprechung mit dem Team. Ich stelle mich vor, ein bisschen Salzgebäck und Sekt zum Einstand habe ich mitgebracht. Ob der Sekt alkoholfrei sei, werde ich gefragt. Natürlich nicht, bisschen Spaß muss doch sein, oder? Ok, den Sekt kann ich wieder einpacken und einige erklärende Sätze zum Thema Alkohol während der Arbeitszeit muss ich mir auch noch anhören. Grrrrrr.
  • Dann stelle ich mich vor, die sollen schon auch wissen, dass ich an einer Uni studiert habe und vielleicht das eine oder andere aus einem erhöhten Blickwinkel sehe und allein schon deswegen Verbesserungen einbringen kann. Ich fange einige Blicke auf, die ich nicht deuten kann. Mal abwarten, was jetzt noch so kommt...
  • Auf jeden Fall nutze ich die Gelegenheit, um im Team die Frage aufzuwerfen, ob nicht jeder Mensch ein Recht auf persönlich bereichernde Fortbildung hat. Leider gehen die anderen auf meine Überlegungen überhaupt nicht – und zwar mit keiner Silbe - ein. Und überhaupt, diese Wochenpläne, ich denke ich habe Gleitzeit ….. Ich habe keine Lust, donnerstags bis 18.30 Uhr zu arbeiten, ich bin eine Lerche und will immer früh gehen. Was soll das denn?
  • Jeder sei ab und an in regelmäßigem Abstand vom Abenddienst betroffen, so auch ich. Gut, ich halte jetzt besser die Klappe. 
  • Nach ein paar Tagen in der Praxis sortiere ich mich – es ist Wochenende. Ich bin doch wirklich froh, dass ich wieder eine Stelle habe.

    Und wenn ich es mir recht überlege, die Kollegen sind echt nett und hilfsbereit und die Teamleiterin, die hat ja auch eine spitzenmäßige Vorbildung und hat ja auch wie ich vor ihrem Leben in der Arbeitsagentur die Arbeitswelt „draußen“ kennengelernt. Die ist ja richtig gut drauf, das merke ich an der Art, wie sie mir ein Feedback gibt.

    Und meine Kolleginnen und Kollegen, bunt gemischt, ein kleiner Teil ist tatsächlich in der Bundesagentur groß geworden. Aber viele kommen von ganz woanders. Da sitzen Betriebswirtinnen neben Ingenieuren, ich bin platt. Soviel geballte Kompetenz, damit hätte ich doch nie gerechnet.

    Und außerdem, die langjährigen Kolleginnen und Kollegen haben vielleicht nie einen anderen Arbeitgeber kennengelernt, sind aber völlig fit in den ganzen Paragraphen und Durchführungsanordnungen und wie das auch immer heißt.
  • Und überhaupt, plötzlich geht mir mal ein Licht auf, was ich doch alles für unsere Kundschaft tun kann. Ganz klar, die Realität steht im Vordergrund, das begreife ich langsam. Kein Geld rausschmeissen. Aber Geld dann einsetzen, wenn es auch tatsächlich zu einer Arbeitsaufnahme führt. Das verstehe ich, die Mittel müssen ja sinnvoll verteilt werden.
  • Und außerdem, ich habe noch 15 andere Kolleginnen und Kollegen im Team, deswegen hetzt die Teamleiterin immer so herum. Ganz klar, 16 Leute beobachten, hospitieren und dauernd diese Teamboards und Dienstbesprechungen, ganz schön üppig. Und außerdem wird noch einmal pro Jahr jedem Teammitglied eine individuelle Rückmeldung über das Arbeitsergebnis und die individuellen Kompetenzen gegeben. Mein lieber Pfiff, ich habe verstanden.
  • Und plötzlich, alles gut, alle Kolleginnen und Kollegen super, der Groschen ist gefallen, es geht nicht alles, was vielleicht so rein menschlich gut ankommt, aber es geht ganz viel.
  • Ich kann einer Frau, die seit 20 Jahren nicht mehr berufstätig war, Bewerbungstrainings und EDV-Kurse bezahlen und ich kann einer sozial sehr engagierten Frau, die bisher noch keine Ausbildung hat, eine Umschulung zur Altenpflegerin bezahlen. Super, ich beglücke doch die Menschheit.
  • Das gefällt mir, das ist sinnvoll, und es wird kein Geld einfach so zum Fenster rausgeschmissen, das bringt ja wirklich was.
  • Och, ich glaube, ich werde schon einiges tun, damit ich hierbleiben kann, das macht ganz einfach Laune hier. Regeln und Vorgaben gibt es überall und über die Bezahlung kann man auch nicht meckern – Millionärin wollte ich sowieso nie werden. Mir ist es wichtig, dass es Spaß macht, die Leute nett sind und ich anderen helfen kann.
  • Und sollte ich wirklich endlich mal den Richtigen finden und Kinder bekommen, dann wird auch eine Menge für mich getan. Die haben zum Beispiel sowas wie OKiP. Damit meinen die nicht das Prager-Eltern-Kind-Programm Pekip, das Eltern und Kinder in spielerischer Bewegung miteinander verbindet. OKiP steht für den Organisationsservice Kinder und Pflege. Und das steht für einen Familienservice, der Betreuung in Notsituationen vermittelt. Echt tolle Sache.
  • Und dieser Typ da, Gruppenvorsitzender der Gewerkschaft, die vbba heißt, den finde ich ja auch voll scharf. Er ist nett, leicht ironisch, oberclever und sieht auch noch gut aus. Und das, was diese Gewerkschaft so bietet, ist auch nicht zu verachten. Vielleicht trete ich auch noch in diesen Verein ein. Dann bin ich mit Haut und Haaren bei der BA.

 

Und dies ist eine Geschichte von Heike Schubert, Mitglied der vbba-Frauenvertretung. Ähnlichkeiten mit ehemaligen oder aktuell Beschäftigten sind rein zufällig!

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